Bundesprojekt „Demokratie Leben“ fördert Projekt Weimar/Buchenwald – Mehr Widerspruch geht nicht
Weimar/ Buchenwald – Mehr Widerspruch geht nicht – 18.12.- 20.12.2017
Gleich nach unserer Ankunft in Weimar haben wir eine Stadtführung durch Weimar gemacht. Dadurch haben wir einen ersten Eindruck über die Historie Weimars erhalten. Es wurden während der Führung immer wieder Widersprüche aufgezeigt. Zum einen Weimar als Ort der Demokratie, da in dieser Stadt im Jahr 1919 die Nationalversammlung die Weimarer Verfassung beschloss und zum anderen das dunkelste Kapitel der Weimarer Geschichte. Dieses ist eng mit dem Konzentrationslager Buchenwald verbunden. Doch auch in der Stadt finden sich deutliche Spuren des Nationalsozialismus, die architektonischen Hinterlassenschaften des sogenannten dritten Reiches. Besucht wurden die Orte, an denen große politische Veranstaltungen stattfanden. Dazu gehört auch der ehemalige Großherzogliche Marstall, der unter den Nationalsozialisten Sitz der Gestapo wurde. Neben der im Hof provisorisch errichteten Verwaltungsbaracke mit doppelwandig isoliertem Vernehmungszimmer befand sich ein Behelfsgefängnis mit zwölf Zellen in der ehemaligen Remise des Marstalls. Der Umbau erfolgte durch KZ-Häftlinge aus Buchenwald. Eine Ausstellung dort erinnert heute an diesen Teil der Weimarer Geschichte.
Der zweite Tag in Weimer begann für uns um 08:00 Uhr. Nach dem Frühstück gingen wir zum Hauptbahnhof von Weimer und stiegen in den Bus nach Buchenwald. Je länger wir den Ettersberg hinauf fuhren, desto mehr sah die Welt wie gepudert aus. Bereits dort konnten wir es uns nicht vorstellen, dass hier einmal die Menschen bei niedrigsten Temperaturen, leicht bekleidet ihr Leben in Gefangenschaft aushalten mussten. Es war ruhig, kein Auto in Sicht, bis auf den Bus, in dem nur wir saßen. Überall waren nur Wälder, die durch den immer höher werdenden Schnee noch verlassener aussahen, als sie schon sind. Zu diesem Zeitpunkt wurde uns allen klar, dass dies ein Ort der Ruhe ist. Im Konzentrationslager Buchenwald angekommen, sahen wir als erstes die Baracken der Offiziere an, die nun umgestaltet wurden als Kinosaal, diverse Informationsräume, Büros usw.. Als wir alle im Kinosaal Platz genommen hatten, wurde uns ein Film gezeigt, der über das KZ, dessen Entstehung sowie Zeitzeugen und dessen Befreiung berichtete. Im Saal war es still, niemand sprach und auch nichts raschelte. Alle starrten interessiert und geschockt auf die Leinwand. Die Bilder im Film, die die Häftlinge zeigten, waren schrecklich. Im Kopf kamen lauter Fragen auf: Wie kann ein Mensch einem anderen Menschen so etwas antun? Die Zeitzeugen erzählten, wie das Leben im KZ Buchenwald war und auch wie andere Häftlinge aus Not handelten. Sie schlugen sich wegen Kartoffelschalen, erzählte einer der Zeitzeugen, so lange, bis der andere tot war. Und das alles nur, weil sie so schrecklichen Hunger hatten. Es war fürchterlich, so etwas zu hören. Was die Menschen dort über sich ergehen lassen mussten, war mehr als unvorstellbar und wieder stellte man sich Fragen über Fragen.
Als der Film vorbei war, ging die richtige Führung los. Als erstes gingen wir zum „Bahnhof“. Man sah nur noch ein Stück einer Eisenbahnschiene. Die Frau, die uns durch das KZ führte, erzählte uns, das dort die Häftlinge ausstiegen. Es wurden Eisenbahnschienen bis zum KZ verlegt, sodass die Häftlinge nicht durch die Stadt laufen mussten, denn dann wäre die Gefahr zu groß gewesen, dass die Einwohner etwas mitbekommen hätten. Sobald die Häftlinge den Boden unter ihren Füßen spürten, mussten sie laufen, laufen so schnell sie konnten bis zum Eingangstor. SS-Soldaten standen am Rand des Weges und schlugen auf die rennenden Häftlinge mit Peitschen ein. Schon dort sollte den Häftlingen deutlich klar gemacht werden, wer das Sagen hat. Am Tor angekommen, gingen wir in einem Raum mit einem kleinen Modell vom KZ Buchenwald. Man erzählte uns, wo die Baracken standen und das große und kleine Lager war. Wir durften Fragen stellen, doch alle waren ein wenig distanziert, den jeder hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Nachdem wir durch das Eingangstor gegangen waren, blieben wir kurz stehen. Es war kurz still, denn allein die Vorstellung, dass genau dort auch die Häftlinge gestanden hatten, war eigenartig und zugleich faszinierend, denn so nah waren wir der deutschen Geschichte noch nie. In der Gittertür stand „Jedem das Seine“, natürlich so geschrieben, dass man es nur lesen konnte, wenn man sich im Inneren des KZ’s befand. Alle hielten kurz inne. Mit diesem Satz sollte den Häftlingen immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden, dass sie an ihrem Schicksal selbst Schuld seien. Anschließend gingen wir in Richtung Krematorium, an dem hohen Zaun vorbei, der damals 350 Volt hatte.
Vor dem Krematorium wurde uns eine kleine Informationstafel gezeigt, auf der u.a. stand, dass es sich um eine Art Friedhof handelt. Wir gaben keinen Ton von uns. Im Krematorium selbst spürte man, das hier viele schreckliche Dinge passierten. Dinge, die man sich selbst nicht vorstellen kann. Bereits davor wurde uns erzählt, wie die Menschen hier verbrannt wurden. Da es zu viele Leichen gab, kam es zu Massenverbrennungen. In einer Urne befand sich also die Asche von bis zu zwanzig verschiedenen Menschen. Die Atmosphäre war unbeschreiblich, vielen war die Trauer ins Gesicht geschrieben. Viele Blumen schmückte die Gedenkstelle, die wir uns im Anschluss anschauten. Das Besondere an dieser Gedenktafel war, dass sie immer eine Temperatur von 37 Grad Celsius hat, genauso wie der menschliche Körper. Auf der Tafel selbst standen alle Nationen, aus denen die Opfer stammen. Möglicherweise wollte der Architekt damit verdeutlichen, dass wir alle Menschen und alle gleich sind, ganz egal welcher Nation wir angehören.
Anschließend gingen wir in das Museum. Dort konnte man sich unzählige Dokumente, Möbel der SS-Soldaten, kaputte Kleidung der Häftlinge, aber auch Folterinstrumente anschauen. In dem Museum hielten wir uns ca. eine Stunde auf. Anschließend ging es zurück nach Weimar. Als wir wieder im Bus saßen, waren alle sehr nachdenklich. Alle dachten über die vielen Eindrücke nach. Jeder von uns konnte von sich behaupten, dass wir in diesen zwei Stunden mehr über die Geschichte Deutschlands erfahren durften als jemals zuvor. Es war unglaublich interessant und sehr lehrreich.
Am Nachmittag gingen wir noch ins Goethe-Museum. Wir gingen mit Kopfhörern von Raum zu Raum. Man konnte sich sehr gut vorstellen, wir er dort lebte. Außerdem war es sehr faszinierend, Goethes liebste Schätze im Haus mit eigenen Augen zu sehen. Er war ein beeindruckender Schriftsteller, der auch ein Auge für Kunst hatte. Sein Haus war der Innenarchitektur dieser Zeit weit voraus, was sehr bemerkenswert war. Auch die „Anna Amalia Bibliothek“ mit ihrem wunderschönen Rokokosaal, welche wir am nächsten Morgen besuchten, war sehr beeindruckend. Es ist unvorstellbar, was für Literatur dort zu finden ist.
Auf dem Weg nach Hause haben wir die drei Tage noch einmal Revue passieren lassen. Insgesamt war es sehr lehrreich und interessant. Doch am interessantesten war doch dieser Gegensatz, Weimar- Buchenwald. Auf der einen Seite steht Weimar, die Hochburg der Klassik, Stadt großer literarischer Persönlichkeiten und der Weimarer Republik. Auf der anderen Seite – nur wenige Kilometer von Weimar entfernt – Buchenwald, ein Ort, der schrecklicher nicht sein könnte.
Wir würden jeder Zeit wieder so eine Fahrt machen, denn es hat uns Deutschlands positive, aber auch negative Vergangenheit näher gebracht, so dass viele offene Fragen geklärt werden konnten.